Otto und seine Glock

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Die Glock 17 im Gürtel, jederzeit einsatzbereit. Aber sie einfach zücken und schießen ist für die PolizistInnen keine Option – denn mit der Waffe kommt Sicherheit, aber auch Gefahr.

Otto* ist gerade vom Nachtdienst nach Hause gekommen. Die Nacht war ereignisreich, sagt er. Mehr sagt er aber nicht. Otto hat seine Polizeiuniform abgelegt, die Waffe ist auf dem Revier eingesperrt. Jetzt sitzt er hinter seinem Haus in der Sonne, ungewöhnlich munter, wenn man bedenkt, dass er seit 24 Stunden nicht geschlafen hat. Das Interview nach dem Nachtdienst wollte er so. „Wenn ich schon auf bin, ist´s eh schon wurscht.“

Otto hat die Augen geschlossen, reckt sein Gesicht Richtung Sonne. Er erinnert sich an seine Ausbildung. Daran, wie alles begonnen hat. „Du gehst in die Ausbildung und dann wird die Waffe erklärt. Die Teile und Komponenten – was was macht und warum. Dann gehst du runter zum Schießstand und fängst an zu üben. Du schießt und schießt bis man meint, du beherrschst die Technik.“ Der richtige Umgang mit der Waffe ist ein kleiner Teil der Ausbildung, aber mitunter einer der wichtigsten. Man würde ja nicht die Glock in die Hand nehmen und sofort jedes Ziel treffen, betont Otto. „Deutsche Krimis sind ein Wahnsinn, da schaut es so einfach aus. Die halten es wie einen Kochlöffel.“

 „Herumschiessen is‘ nicht“

Hat man die Ausbildung hinter sich gebracht, ist das Lernen aber nicht vorbei. Da in Österreich die Waffe selten im Einsatz ist, müssen die PolizistInnen im Training bleiben. Dazu gibt es dreimal im Jahr Schulungen, wie der niederösterreichische Gruppeninspektor Helmuth Doschek erklärt. Einen ganzen Tag dreht sich alles um den Umgang mit verschiedenen Dienstwaffen. Dabei wird sowohl auf die Zielscheibe geschossen, als auch ein Parcours mit der Waffe bewältigt. In nachgestellten Szenarien sollen die PolizistInnen immer auf den Ernstfall vorbereitet werden.

Die Schusswaffe selbst darf in der Realität aber nur in Ausnahmefällen benutzt werden. Diese sind im Waffengebrauchsgesetz genau geregelt. Es gibt damit kein „Vielleicht“ und die PolizistInnen müssen genau wissen, was sie dürfen und was nicht. Oft wird die Waffe nicht gebraucht, aber in manchen Situationen ist sie einfach notwendig.

Genau genommen darf die Waffe laut Gesetz aber nur in folgenden Fällen benutzt werden:

  • Im Falle gerechter Notwehr
  • Zur Überwindung eines auf die Vereitlung einer rechtmäßigen Amtshandlung gerichteten Widerstandes
  • Zum Erzwingen einer rechtmäßigen Festnahme
  • Zur Verhinderung des Entkommens einer rechtmäßig festgehaltenen Person
  • Zur Abwehr der von einer Sache drohenden Gefahr
Am Zug – der Einsatz der Dienstwaffe ist streng geregelt.

 „Hände hoch, oder ich schieße“

PolizistInnen dürfen aber nicht sofort die Waffe zücken. Zuerst einmal muss der Angreifer dazu aufgefordert werden, die strafbare Tat aufzugeben, etwa durch die Aufforderung „Hände hoch!“ Dann kann es zu einer Verfolgung kommen, Körperkraft – also der Angriff ohne Hilfmittel – und Pfefferspray werden eingesetzt. Erst wenn das alles keine Wirkung zeigt, darf die Schusswaffe verwendet werden. Eine Ausnahme ist es, wenn das Gegenüber selbst bewaffnet ist: „Du bist ja dann sowieso Zweiter, du agierst ja nicht, sondern reagierst. Oder wenn einer mit dem Messer dasteht und sagt „Ich stech dich ab“, ist halt ein Pfefferspray auch grenzwertig“, so Otto.

Der Einsatz der Schusswaffen birgt aber auch Gefahren, wie Otto im Gespräch erwähnt: „Wenn du dein Ziel verfehlst, darf nix dahinter sein wo du hin schießt. Sonst läufst du Gefahr, dass du Unschuldige verletzt. Und wenn man draußen irgendwo schießt, ist eigentlich immer irgendwas dahinter. Außerdem ist es erwiesen, dass du durch das Adrenalin und diese Belastung einen Tunnelblick kriegst, du siehst durch eine Röhre und da nimmst du nicht mehr wahr, was außerhalb vor sich geht…“

Betreuungssystem Kollege

Kommt doch ein Unschuldiger zu Schaden, hat auch die Polizeikraft lange damit zu kämpfen. Der Beruf bringt teils schwere psychische Belastung mit sich. Doch damit wird der Einzelne nicht alleine gelassen. In den 1990er Jahren hat das Bundesministerium für Inneres, kurz BMI, eines spezielles System für die psychologische Betreuung entwickelt: den „Peer-Support“. Er besteht aus PsychologInnen und den sogenannten Peers – sie sind selbst PolizistInnen. So können sie sich gut in die Situation des anderen einfühlen, aber gleichzeitig die Situation von außen betrachten, weil sie selbst nicht dabei waren.

Jeder kann grundsätzlich ein Peer werden, so Helmut Doschek. Das Auswahlverfahren umfasst persönliche und psychologische Gesprächen, um herauszufinden, ob die jeweilige Person sich für die Stelle eignet. Wird man ausgewählt, folgt die Ausbildung zum Peer.

Traumatische Erlebnisse können alles Mögliche sein. Ein Unfall mit Toten. Gefühlsausbrüche von Angehörigen einer getöteten Person. Manche Einsätze stecken PolizistInnen gut weg, andere hinterlassen tiefere Spuren: Als vor fünf Jahren ein Jäger in Annaberg, Niederösterreich, drei Polizisten erschießt, sind die niederösterreichischen Peers wochenlang im Dauereinsatz. Die Einsätze mit Waffengebrauch seien oft solche, von welchen man es anfangs nicht erwarten würde, betont Helmut Doschek.

Die Waffen werden entladen in einem gesicherten Waffenkammerl im Revier aufbewahrt.

Stadt versus Land

Otto ist nach 19 Jahren Dienst in Wien nach Niederösterreich versetzt worden und zieht Vergleich: „Du kannst nicht sagen, bei uns heraußen gibt’s diese bösen Menschen nicht, wo du sie [Anm.: die Waffe] anwenden müsstest, so funktionierts leider nicht. Ich sage immer, der Prozentsatz der Gfraster ist niedriger, ganz anders akkumuliert als in Wien.“ Somit seien nicht nur die Einsätze in der Stadt häufiger, sondern man müsse auch mal mit der Waffe drohen, so der Polizist. Trotzdem liegen aber am Land die Maschinenpistolen abgesichert im Auto bereit. Das hat praktische Gründe: „Wenn in Wien einer Verstärkung anfordert, dann kommen von überall aus den benachbarten Bezirken Leute. Die ersten, kann man rechnen, treffen nach drei bis fünf Minuten ein. Dann gehts Schlag auf Schlag und innerhalb von einer Viertelstunde hast du um die 60 Mann dastehen. Das geht hier am Land nicht, wir haben – besonders in der Nacht – nicht so viele Leute und die Entfernungen sind größer. Dementsprechend sind wir einfach stärker ausgerüstet.“

Obwohl er gern in Wien gearbeitet hat, ist Otto jetzt froh, am Land stationiert zu sein. Besonders seine Frau habe die Versetzung begrüßt, da er jetzt nicht mehr so viele Überstunden mache und die „Stresssituationen“, wie er sie beschreibt, bei Weitem nicht so häufig seien. Seinen Dienstanfang in der Stadt bereut Otto trotzdem kein bisschen: „Wenn du jung bist, ist es super. Du bist dauernd auf so einer Welle wo du „dahingleitest“ und es ist selten fad, das ist fix. Wien war schön, aber jetzt fühl ich mich einfach bisschen zu alt, als dass ich dauernd am Zug bin und bin froh.“

Denkst du an die Waffe?

Im Berufsalltag tragen die PolizistInnen die Schusswaffe zwar jederzeit mit sich, bewusst wahrnehmen würde man sie aber nur am Beginn der Karriere. „Es ist einfach ein Arbeitswerkzeug. Wir gehen auf die Wache, schnallen uns die Waffe um und das ist es. So wie der Dachdecker sich den Tacker einsteckt, stecken wir uns die Waffe ein“, erzählt Otto, was auch Doschek bestätigt. Beide Polizisten haben in ihrer Dienstzeit noch nicht im Einsatz geschossen. Wichtig sei die Pistole dennoch: „Du denkst sehr wohl daran, dass du einen “Anker“ hast.”

*Name von der Redaktion geändert

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