Seitdem es Menschen gibt, gibt es Jäger. Aber Jagd ist nicht gleich Jagd. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Zugang zur Aufgabe stark verändert. Zwei Männer sehr unterschiedlichen Alters erzählen von ihrem Bezug zur Waffe.
FRANZ
Franz setzt seinen dunkelgrünen Filzhut auf seine grauen, zurückgekämmten Haare. Er schnürt sich die Schuhe, verlässt das Esszimmer und bleibt vor seinem hellbraunen Schrank am Ende des Gangs stehen. Mit einem kleinen Schlüssel sperrt er zuerst die Holztür auf und danach die kleine Tür des Stahl-Safes, der sich direkt dahinter befindet. Er blickt auf seine acht Jagdwaffen, die nebeneinander an der Rückwand lehnen und hebt eine heraus.
Franz ist ehemaliger Bürgermeister seiner Heimatgemeinde. Er jagt, seit er ein junger Mann ist. „Ohne meinen Vater wäre ich nicht Jäger geworden“, erzählt er. Auch nach seiner Jagdprüfung hatte er nie großen Spaß am Schießen mit Waffen. „Ich war immer schon mehr ein Heger als ein Jäger“, meint Franz. Er schwärmt von Feierabenden im Sommer, die er im Wald ausklingen ließ. Franz hat den Traktor abends, nach der Arbeit, am Feld abgestellt und ist in den Wald auf die Pirsch gegangen. Er hat sich auf den Hochstand gesetzt, den Wald beobachtet und einfach nur die Ruhe genossen und das ganz ohne den Hintergedanken, ein Tier zu erschießen. „Anfangs haben mir die Tiere leid getan“, meint Franz. Für ihn war es nie leicht, auf ein Lebewesen zu schießen. Doch als Jäger musste er irgendwann die Hemmungen verlieren, um seine Pflichten erfüllen zu können.
Jagen ist für Franz oft Belastung und Druck. Denn für den Wildschaden, den eine übermäßige Zahl an Tieren anrichtet, müssen die Jäger selbst aufkommen. Daher ist das Jagen für ihn kein Hobby. Doch er ist froh, dass es Jäger gibt, die viel Leidenschaft und Begeisterung mitbringen.„Würden nur die jagen, die es müssen, würden wir bei uns im Ort die Zahl von 280 Tieren, die wir in einer Saison erlegen müssen, nicht erreichen“, sagt Franz.
Gravuren, Verzierungen und poliert: So sieht die Waffe vieler Jäger aus. Für sie ist es ein Prestigeobjekt. Davon hält Franz nicht viel. Er hat eine schlichte, braune Jagdwaffe mit Zielfernrohr. Ganz ohne Ornamente und Schnörkel. Die Waffe ist für ihn bloß das Mittel zum Zweck und kein Statussymbol, für das er fünfstellige Beträge zahlen würde.
DAVID
David ist 22, den Jagdschein hat er, seitdem er 16 ist. Warum er den Schein so früh machte, ist schnell erklärt: „Mir ist es definitiv in die Wiege gelegt worden.“ Großvater und Papa sind auch Jäger, ersterer ist mittlerweile in „Jägerpension“. „Der Zugang zum Thema war deshalb schon immer da“, erklärt Pucher und sagt, dass das Einschreiben zum Jagdkurs also reine Formsache gewesen sei. Der Bedacht auf den Wald, die Tierwelt und auch die Verantwortung der Aufgabe ist und bleibt enorm, erzählt der Kärntner. Der Zugang zum Jagen sei heute aber ein anderer als vor 30 oder 40 Jahren.
In den Intensivwochen der Jagdausbildung hat das Thema Verantwortung mit der Waffe also besonderen Stellenwert. „Kein Schuss ohne Kugelfang“ gilt in jeder Situation. Penibel genau wird darauf geachtet, in welchem Zustand die Waffe ist und wo das Projektil hingeht. „Das wird auch untereinander, z.B. bei Gemeinschaftsjagden, genau geprüft. Man kontrolliert sich ständig gegenseitig und sollte jemand fahrlässig handeln, setzt es Verwarnungen.” Auch die Handhabung der Waffe ist von spezieller Bedeutung: „Besonders wenn das Tier entläuft, gehts darum, die Waffe wieder zu entschärfen“, fügt David hinzu.
„Mein Gewehr hab ich damals von meinem Vater zur Jagdprüfung bekommen. Seitdem verwende ich es auch, weil es ein sehr gängiges Kaliber ist.” Qualität hat aber nichts mit dem Alter zu tun: Es stammt aus dem Ersten Weltkrieg und wurde danach zu einem Jagdgewehr umgebaut. Die Pflege ist bei einem so alten Modell besonders wichtig. Gleich wie Franz hält er vom Kult um die Waffe nichts: Das Gewehr bleibt immer nur notwendiges Mittel zum Zweck, betont er und sagt, dass das speziell Kollegen der älteren Generation durchaus anders sehen: „Die lassen sich teilweise Gewehre um tausende Euro anfertigen, die ihnen dann eh zu schön sind, um sie zu verwenden. Den Sinn dahinter versteh ich nicht.“
Eine alte Tradition, aber auch Prüfung, ist das „Hegeringschießen“. Die jährliche Veranstaltung steht im Zeichen des Schussstempels, der jedes Jahr neu ausgestellt wird. Jäger des älteren Semesters scheiden durch Nicht-Erreichen der Schuss-Ziele aus der aktiven Jägerschaft aus. Um die Waffe führen zu dürfen, hat David aber nie mehr als eine ärztliche Bestätigung gebraucht. Die Lagerung von Waffen und Munition wird da schon viel genauer kontrolliert: „Die Polizei steht manchmal unangemeldet vor der Tür“, schmunzelt der Kärntner.
Die Art der Jagd hat sich in den letzten Jahrzehnten maßgeblich verändert. „Man spürt den Druck der Holzindustrie“, ist sich David sicher. Abschusspläne werden adaptiert, der Wildbestand wird radikal verkleinert. Der Wildschaden, unter den Jägern auch „Verbiss“ genannt, ist der Holz- und Forstindustrie ein Dorn im Auge. „Früher ist man im Winter in vielen Gebieten gar nicht auf die Jagd gegangen, um dem Wild und seinem Nachwuchs Zeit und Platz zu schenken.” Heute sei es eher so, dass der Wildbestand in immer kleinere Lebensräume gedrängt werde. Erweiterte Abschusspläne stoßen aber nicht nur auf Kritiker: „Manchen ist die Trophäe noch immer wichtiger ist als das Leben der Tiere. Der Generationen-Unterschied im Denken ist definitiv erkennbar.“ Der Abschuss der Tiere zum Erhalt der gesunden Population gehöre ganz gewiss zu den Aufgaben des Jägers, aber: „Was hier teilweise passiert, ist Mord. Das hat nichts mit der Jagd zu tun.“
David genießt es, den Sonnenaufgang vom Hochsitz aus zu erleben können und vom stressigen Arbeitsalltag abzuschalten. Anders als bei Franz ist das Jagen für David schon auch Hobby: „Es ist viel wert, wenn du einfach nur zwei Stunden im Wald sitzt, komplett runterkommst und der Stille des Waldes lauschst. Diese Ruhe ist es wert, in der Früh das Bett gegen den Hochsitz zu tauschen. Initiativen wie „Wald ohne Wild“ kommentiert er mit einem Kopfschütteln. „Wer glaubt, dem Wald würde es ohne Wild besser gehen, hat nichts verstanden. Solche Menschen waren noch nie im Wald.“