Wer darf ans Schießeisen?

Hintergründe
von und

Wer eine Pistole will, offenbart Andreas Krafack sein Innerstes. Er entscheidet, wer in Österreich eine Waffe bekommt und wer nicht. Andreas Krafack ist Waffenpsychologe. Wir haben mit ihm über die Flüchtlingsbewegung und Psychopharmaka in Kombination mit Schießeisen gesprochen.

Ein langer Gang in einem großen Gebäude, am Ende liegt ein unscheinbares Büro. Hinter vielen Büchern und Zetteln sitzt Andreas Krafack. Er ist der Mann, der weiß, wie Menschen fühlen – von der Managerin mit dem Burn-out bis hin zum Waffenbesitzer. In der Psychologie gibt es kaum etwas, das Krafack nicht macht. Er lehrt an der Uni, therapiert, stellt Gutachten aus – auch fürs Gericht. Die Waffenpsychologie ist ein Teil seines Jobs. Wenn Krafack darüber spricht, erzählt er von Screenings, Explorationen, verschiedenen Testbatterien. Stark vereinfacht: Wenn jemand eine Pistole will, muss er seine Psyche durchleuchten lassen. Krafack entscheidet dann, ob derjenige eine Waffe bekommt. Doch wofür brauchen die Österreicher ihre Pistolen?

Warum die Österreicher Knarren wollen

Sie wollen das Haus verteidigen. Oder im Verein schießen. Die Antworten sind meist dieselben, wenn der Psychologe fragt. Oft kommen auch Bewerber von Security-Firmen. „Bei Jobs, in denen Selbstverteidigung gefordert ist, setzen viele Firmen die Waffentauglichkeit voraus“, sagt Krafack.
Es gibt auch unfreiwillige Patienten. Waffenbesitzer, die im Nachhinein auffällig werden. „Wenn jemand seine Pistole in der Öffentlichkeit zeigt, muss ich prüfen, ob derjenige noch verlässlich ist.“

Waffe trotz Antidepressiva und Co

Es zählt der Gesamteindruck, meint Krafack weiters. Wenn der passt, kann auch wer Psychopharmaka konsumiert, eine Waffe kaufen. „Wenn jemand psychisch stabil ist, ist ein positiver Bescheid trotzdem möglich.“
Alkohol- oder Drogenabhängige und auch Personen, die an Persönlichkeitsstörungen oder Psychosen leiden, bekommen auf keinen Fall eine Waffenbesitzkarte. Zwanzig Prozent der Antragstellenden erhalten kein positives Gutachten. Wer zurückgewiesen wird, kann einen Zweittest beim selben Psychologen beantragen.

Weapons are a Man‘s Best Friend

Mit einer Waffe in der Hand, steigt der Testosteronspiegel und Männer erscheinen größer und stärker. Das zeigen amerikanische Studien. In den USA ist ein Großteil der Waffenbesitzer Männer. Auch die Mehrheit der österreichischen Waffenbesitzer ist männlich. In den letzten 4 Jahren waren im Schnitt 88% der erfolgreichen Antragsteller für die Waffenbesitzkarte Männer.

Im Jahr 2015 stiegen die Anträge für die Waffenbesitzkarte stark an. Krafak erklärt sich diesen Boom durch die Flüchtlingsbewegung.

Wappnen gegen das Unbekannte

2015 erreicht die Flüchtlingsbewegung ihren Höhepunkt. Die Reaktionen der Österreicher sind gemischt. Einige empfangen die Neuankömmlinge herzlich. „Refugees welcome“ steht auf ihren Schildern und Shirts. Andere sind beunruhigt. Sie wollen sich schützen. Die Zahl der Waffenanträge schnellt in die Höhe.

„Nach der üblichen Begründung für den Waffenantrag hieß es oft ‚und Sie wissen schon…‘“, erzählt Krafack. „Ich habe dann nachgehakt. Immer ging es um die Migrationsbewegung. Die Menschen haben sich bedroht gefühlt.“

Auch die dramatische Darstellung in den Medien habe die Wahrnehmung verzerrt. Die Anzahl der Waffenanträge habe sich zu dieser Zeit mindestens verdoppelt, sagt Krafack.* Auch die Zahl der Waffenbesitzer ist gestiegen. Allerdings nicht im selben Ausmaß. Der psychologische Check ist eine Hürde, die nicht alle überwinden.
Doch das Modell des Tests ist jung. Wer vor 1997 eine Waffe wollte, musste für einen Gesundheitscheck zum Amtsarzt. Mehr nicht. Dann kam ein Ereignis, das nie hätte passieren dürfen.

Der Gast wird zum Mörder

Mauterndorf 1997 – Ein 36jähriger Mechaniker erschießt sechs Menschen. Er geht von Haustüre zu Haustüre zu Haustüre und feuert auf die Bewohner. Seine ersten Opfer sind seine ehemalige Lebensgefährtin, deren Partner und ihre Tochter. Kurz darauf ermordet er den Vizebürgermeister der Marktgemeinde und ein junges Paar. Am nächsten Tag erschießt er sich selbst.
In einem Schreiben erklärt er seine Tat. Eine Elisabeth habe Dämonen auf ihn übertragen und ein Teufel sei in ihn gepflanzt worden. Ein Feuer habe seit langer Zeit in ihm gebrannt.

Die Politik wurde durch den Amoklauf in Mauterndorf zum Handeln gezwungen. Der Mechaniker hat neben den Tatwaffen vier weitere Pistolen, fünf Gewehre, zehn Kilogramm Schwarzpulver und 1.000 Schuss Munition besessen. Alles ohne psychologisches Gutachten. Das Gesetz wurde überarbeitet. Seitdem braucht man das OK eines Psychologen, um eine Pistole oder einen Revolver zu besitzen. Hundertprozentige Sicherheit bietet die Begutachtung durch den Psychologen aber nicht.

Datenschutz versus öffentliche Sicherheit

Der psychologische Waffentest hat nämlich eine große Schwachstelle. Wenn jemand kein positives Gutachten bekommt, kann er es beim nächsten Psychologen versuchen. Vielleicht klappt es dann beim zwanzigsten Mal. Denn Waffenpsychologen dürfen sich nicht über ihre Kunden austauschen – aus Datenschutzgründen.
Dennoch ist das Waffengesetz sicherer als früher. Vor einigen Jahren wurde es novelliert, Andreas Krafack und seine Kollegen waren bei den Sitzungen im Innenministerium dabei. Seitdem können die Psychologen beim Waffentest mehrere Verfahren nach Wahl kombinieren. Früher gab es einen Standardtest. Die neue Version macht es schwerer, sich auf den Check vorzubereiten.
Trotzdem lernen diejenigen, die es öfter versuchen. Schon oft hat Krafack mit seinen Berufsverbandskollegen ans Innenministerium appelliert – bisher keine Reaktion. Die Waffenpsychologen wollen das Recht, Daten auszutauschen. „Die Sicherheit der Bevölkerung steht meiner Meinung nach vor einem zu strikt ausgelegten Datenschutz“, stellt Krafack klar.

 

 

*Hierbei handelt es sich um eine Einschätzung. Genaue Zahlen zu den Anträgen liegen nicht vor. Zahlen der tatsächlich ausgestellten Waffenbesitzkarten sind im Diagramm zu finden.

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